Erfolgsgeschichte oder zahnloser Tiger? Ein Jahr Corona-Warn-App. 05.08.202124.11.2022 Die Temperaturen steigen, die Inzidenzen sinken und das Leben kehrt langsam wieder zurück. Wer beim Lesen dieses Satzes ein Déjà-vu-Erlebnis hat, liegt ziemlich richtig. In einer ähnlichen Situation waren wir bereits vor etwas über einem Jahr. Die erste Welle war gebrochen, der erste Lockdown überstanden und wir alle blickten einem schönen Sommer entgegen. Ein Tool, welches ebenfalls vor einem Jahr vorgestellt wurde und den Sommer noch entspannter und schöner machen sollte, war die Corona-Warn-App. Wir erinnern uns, nach den Erfolgen von digitalen Hilfsmitten zur Pandemiebekämpfung in Ländern wie Taiwan oder Singapur, waren die Versprechungen und Hoffnungen, welche in die Corona-Warn-App gesteckt wurden, groß. Nachdem die Pandemie auf schmerzliche Weise offengelegt hatte und immer noch verlässlich tut in welchem Maße an kritischen Stellen wie den Gesundheitsämtern oder dem Bildungsbereich in Bayern und Deutschland in den letzten Jahren und Jahrzehnten die Digitalisierung und Modernisierung verschlafen wurde, versprach man sich von der CWA einen staatlichen, digitalen Erfolg. Nach einem Jahr CWA wird es nun Zeit, Bilanz zu ziehen. Ist die CWA wie vor einem Jahr geschrieben „ein Vorbild für zukünftige staatliche IT-Projekte“ oder war die Einschätzung überzogen? Zunächst einmal muss festgestellt werden, die CWA tut, wofür sie entwickelt wurde, nämlich potenziell Infizierte zu informieren, damit diese sich dann in Quarantäne begeben können und dadurch Infektionsketten unterbrochen werden. Wenn Politiker*innen die CWA dann als einen „Zahnlosen Tiger“ bezeichnen, haben diese ganz offensichtlich den Sinn der App nicht verstanden. In welchem Umfang die CWA dabei hilft das Infektionsgeschehen einzudämmen, ist aktuell noch nicht vollumfänglich geklärt. Es gilt jedoch, dass jede unterbrochene Infektionskette eine Erleichterung für die Intensivstationen und Gesundheitsämter darstellt. Doch auch wenn die CWA ihren Zweck grundlegend erfüllt, gilt, wie bei jedem groß angelegten IT-Projekt: Es lief nicht alles gut. Einiges lief sogar ziemlich schlecht. So hat es beispielsweise die Bundesregierung auch ein Jahr nach der Einführung der CWA nicht geschafft, ein entsprechendes Begleitgesetz zu verabschieden und damit ihre anfänglichen Kommunikationspannen auszubessern. Was jedoch vermutlich schwerer wiegt als das legislative Versagen, ist das viel zu geringe Tempo, mit welchem neue Updates und Funktionen für die CWA entwickelt wurden. Obwohl wir im Landtag bereits Anfang März eine Opt-out-Funktion für das Eintragen von Testergebnissen, sowie eine Check-in-Funktion für Gaststätten gefordert haben, kam erstere bis heute nicht und letztere erst mit dem Update Mitte Mai, also über 2 Monate später. Dies hatte zur Folge, dass statt mit der CWA die Digitalisierung der Check-in-Zettel in Restaurants, Cafés, u.ä. mit der datenschutztechnisch untragbaren und für viel Geld eingekauften Luca-App erfolgte. Sprich anstatt auf eine bereits bestehende, datenschutztechnisch unbedenkliche und durch Steuergelder finanzierte Lösung zu setzen, wurden von der bayerischen Staatsregierung weitere Millionen an Steuergeldern in ein systemisch grundlegend schlechtes Produkt verfeuert. Doch was können wir nach einem Jahr CWA mitnehmen?Zunächst einmal, dass sich bestätigt hat, dass hohe Datenschutzstandards keine Auswirkungen auf den Erfolg oder Misserfolg eines IT-Projektes haben. Viel mehr kommt es darauf an, dass vorrauschauend geplant wird und frühzeitig auf neue Anforderungen mit neuen Funktionen und Updates reagiert wird und sich nicht auf dem anfänglichen Erfolg ausgeruht wird. Darüber hinaus muss sich auch die Art, wie von politischer Seite über Projekte wie die CWA berichtet wird ändern. Großangelegte Informations- und Werbekampagnen helfen wenig, wenn im Anschluss führende Politiker*innen öffentlich die App schlecht reden und sich als Sündenbock für den scheinbaren Misserfolg der App den Datenschutz aussuchen, welcher der App erst das öffentliche Vertrauen gegeben hat und zu den europaweit viel beachteten hohen Downloadzahlen geführt hat. Wenn sich staatliche IT-Projekte in Zukunft daran orientieren, können diese ein Erfolg werden und es kann in Zukunft darauf verzichtet werden, kostspielige und unsichere externe Lösungen einzukaufen.