Die Corona-Warn-App − ein Vorbild für zukünftige staatliche IT-Projekte

Die aktuellen Herausforderungen, vor die uns die Corona-Pandemie stellt, sind enorm. Um die Infektionskurve abzuflachen und Todeszahlen wie in anderen Teilen Europas und der Welt zu vermeiden, mussten wir wochenlang mit erheblichen Einschränkungen leben. Während dieser Zeit waren es vor allem digitale Dienste, die es uns erlaubt haben, mit unseren Familienmitgliedern und Freund*innen weiter in Kontakt zu bleiben, unsere Arbeit teilweise von zuhause aus zu erledigen und unseren Kindern zumindest einen Grundstock an schulischer Bildung zukommen zu lassen, ohne das Risiko einer Infektion einzugehen. Daher scheint es nur logisch auch bei der weiteren Eindämmung der Pandemie und der schrittweisen Öffnung des gesellschaftlichen Lebens auf die Vorteile der Digitalisierung zu setzen.

Ein Baustein dafür kann die Corona-Warn-App des Robert-Koch-Instituts sein. Ziel der App ist es, Infektionswege automatisiert nachzuvollziehen und zu durchbrechen, indem Menschen, welche Kontakt zu Infizierten hatten, schnell und unkompliziert über das Infektionsrisiko informiert werden können.

Dadurch soll die manuelle und langsame Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter unterstützt und vor allem beschleunigt werden. Das ist von besonderer Wichtigkeit, da Menschen auch ohne Symptome bereits ansteckend sein können. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass eine Person schnellstmöglich erfährt, ob sie sich möglicherweise infiziert hat, um sich dann in Quarantäne zu begeben und testen zu lassen. Der Fall Webasto hat gezeigt, wie effektiv sich Infektionsherde eindämmen lassen, wenn rechtzeitig bekannt ist, wer Kontakt mit einer infizierten Person hatte.

Damit die Corona-Warn-App jedoch auch ihren Zweck erfüllt, muss sie von einer ausreichenden Anzahl an Menschen genutzt werden. Ein elementarer Baustein für die erfolgreiche Verbreitung der App ist Vertrauen. Vertrauen das vor allem zu Beginn der Entwicklung durch Forderungen von Jens Spahn nach einer Auflockerung des Datenschutzes, einer zentralen Speicherung der Daten, dem umfassenden Sammeln von GPS- und anderer Daten schwer beschädigt wurde. Auch neuerliche Diskussionen von Politiker*innen wie Axel Voss über ein Anreizsystem schüren Misstrauen. Eine Möglichkeit Vertrauen zu schaffen, wäre hingegen ein Begleitgesetz, wie es unsere Bundestagsfraktion fordert. In diesem könnten vor allem die Zweckbindung der Daten, sowie die freiwillige Nutzung der App festgeschrieben werden. Eine Zweckbindung ist aufgrund der hohen Sensibilität und des damit einhergehenden Interesses von Geheimdiensten und Behörden zwingend nötig. Das Beispiel der LKW-Maut zeigt, wie durch ein Begleitgesetz Daten vor staatlichem Zugriff geschützt werden können. Eine gesetzlich verankerte freiwillige Nutzung schafft zum einen bei Bürger*innen die Gewissheit, dass ihnen auch bei einer eventuellen zweiten Welle keine App-Pflicht auferlegt wird und schützt außerdem davor, dass Menschen ohne App Nachteile beim Besuch von Restaurants oder Geschäften erfahren.

Ein weiteres Problem entsteht dadurch, dass etwa 15% aller Smartphones in Deutschland nicht mit der App kompatibel sind. Die Inkompatibilität mit älteren Smartphone Modellen ist dabei doppelt problematisch. Zum einen wird damit die Weiterverbreitung der App verlangsamt. Zum anderen führt sie zu Diskriminierung. Denn es sind vor allem ältere (weniger technisch affine) Menschen und damit Angehörige der Risikogruppe, die oftmals entweder gar kein Smartphone oder ein älteres Modell besitzen und damit nicht in der Lage sind die App zu nutzen. Hier könnte ein Transponder, den man am Schlüsselbund trägt, Abhilfe schaffen. Doch selbst wenn die App auf dem eigenen Smartphone läuft, gestaltet sich das Eintragen eines positiven Testergebnisses als schwierig. Nur 20% der Labore waren bei Einführung der App in der Lage einen entsprechenden QR-Code zum Eintragen in die App auszustellen. Die einzige Alternative zum QR-Code stellt die Hotline dar. Dabei wird jedoch der durch den öffentlichen Diskurs erkämpfte hohe Datenschutzstandard untergraben, da der/die Mitarbeiter*in der Hotline mindestens die Rufnummer der betroffenen Person erhält.

Insgesamt betrachtet, ist die App jedoch zumindest in der Entwicklung ein voller Erfolg und zeigt, dass eine kritische, öffentliche Begleitung sowie die Einhaltung von Datenschutzstandards bei großen IT-Projekten nicht zwangsläufig zu deren Scheitern führt. Ganz im Gegenteil haben die Entscheidung, die Daten dezentral zu speichern, sowie die Veröffentlichung des Quellcodes dazu geführt, dass nach den genannten Fehlern der Bundesregierung das Vertrauen in die App wiederhergestellt und eine klare Dokumentation der Funktionsweise sicher gestellt wurde. Diese Erkenntnisse können und sollten auch in zukünftigen staatlichen IT-Projekten genutzt werden.

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